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Klebende Hände in Jena

Offenes Karate Seminar mit Olaf Krey (6. Dan Koryu Uchinadi) vom 21. – 22.10.2023 in Jena

Samstagmorgen um 6:00 Uhr. Der Wecker klingelt, es ist noch stockfinster und ich frage mich erneut, warum ich mir das eigentlich immer wieder antue. Die warme Bettdecke hält mich fest in ihrem Griff, klebt förmlich an mir fest. Sie hat das bereits gemeistert, was an diesem Wochenende zu lernen und / oder zu vertiefen angedacht ist. Das Shotokan Dojo Jena hatte zu einem offenen Karate Seminar zum Thema „Klebende Hände“ also Muchimi Di und Kakie-Waza geladen.

Der geneigte Japankenner wird jetzt aufhorchen. Mochi, das sind doch diese klebrigen, aber auch überaus leckeren Reiskuchen, an denen jedes Jahr zu Neujahr einige Japaner ersticken! Tatsächlich leitet sich der Begriff Muchimi Di auch genau davon ab, wobei es sich an dieser Stelle um die Aussprache im Ryukyu Dialekt (der auf der Insel Okinawa, dem Geburtsort des Karate, ursprünglich gesprochenen Sprache) handelt. Auf Japanisch wäre es Mochimi Te, was so viel wie „Reiskuchenkörper Hände“ bedeutet. 

= „mochi / muchi“ aka Reiskuchen

= „mi“ aka Körper

= „te / di“ aka Hand

Und alleine am Namen wird schon deutlich, dass es hier um mehr geht als nur um die Hände. Jedenfalls sind die klebenden Hände integraler Praxisbestandteil vieler Kung-Fu Stile aus Fujian in Südchina (z. B. White Crane Kung Fu, Wing Chun, etc.) und fanden ihren Weg darüber auch in das Karate auf Okinawa, wo sie auch heute noch zum Repertoire vieler Stile gehören. Sie dienen vor allem der Vorbereitung auf die Auseinandersetzung im Nahkampf, in den nahezu 99% aller körperlichen Auseinandersetzungen münden, was die Wichtigkeit unterstreicht, sich näher mit der Thematik zu beschäftigen.

Da diese Routinen aber nicht in die Stile des japanischen Karate (Shotokan, Wado-Ryu, Shito-Ryu, etc.) übertragen wurden, war es jetzt nicht weiter verwunderlich, dass sich am Samstagmorgen eine bunte Mischung von Karateka verschiedenster Stile auf der großzügigen Mattenfläche des Judo Leistungszentrums in Jena einfanden. Vertreten waren die üblichen Verdächtigen der KU Familie, eine große Anzahl von Shotokan Karateka und ihr und da hat sich auch der eine oder andere Wado- und Shorin-Übende unter die Teilnehmer gemogelt.

Nach einem kurzen Warmup, welches für die üblichen KU-Verhältnisse schon geradezu entspannend war, starten wir mit den ersten Sensivitätsübungen sowie einem Grundlagendrill aus den Tegumi Renzoku Geiko, den sogenannten Kakie (hakende Hände). Schnell hatten alle verstanden, dass das mit dem Erspüren von Druck- und Zugbewegungen und das zeitgleiche Aufrechterhalten des eigenen Gleichgewichts garnicht so einfach ist wie gedacht. Es war jedoch ebenso faszinierend, wie schnell man Fortschritte erzielen und sich irgendwann ganz gut anpassen konnte.

Nachdem die kinästhetischen Synapsen nun richtig verschaltet waren, ging es ans Eingemachte. Grundlage des Seminar bildete der Muchimi Di Drill aus dem Koryu Uchinadi:

Dieser beinhaltet nahezu alle wichtigen Grundlagen, um sich der Thematik anzunähern. Zug, Druck, Nachgeben, Kreisbewegung, alles Bewegungsprinzipien, die im Nahkampf vorkommen. Wie bei jedem Drill geht es allerdings nicht darum, diesen auswendig zu lernen und dann einfach immer wieder zu wiederholen, sondern die darin enthaltenen Lernaufgaben zu meistern. Kata, Drills, Partnerübungen sind lediglich Schablonen, wie Olaf anmerkte. Sie dienen nur dazu, bestimmte Dinge zu lernen. Einmal gemeistert kann die Schablone dann ins Archiv. Es folgten also zwangsweise Unterbrechungen, Ausgänge und irgendwann Kontrolltechniken, Würfe und Takedowns.

Und was von diesem Wochenende ganz besonders im Gedächtnis bleibt, ist die Tatsache, dass viel zu oft vergessen wird, dass es nicht darum geht, die Extremitäten eines Gegners zu kontrollieren, sondern den Gegner und seinen Körper. Denn nur so ist es möglich die Situation überhaupt unter Kontrolle zu bringen.

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